Statistisch belegt: starke Pressefreiheit und geringes Vertrauen in die Medien hängen zusammen

17. Mai 2013 um 16:06 | Veröffentlicht in Allgemein, Journalismusforschung, Kapitel_2, Kapitel_3, Kommunikationsfreiheit | 2 Kommentare

Eine Frage, die bislang meines Wissens nicht wissenschaftlich untersucht ist, treibt mich schon länger um: Hängt das Vertrauen, das die Menschen in die Medien und den Journalismus haben, mit dem Grad der Pressefreiheit in ihrem Land zusammen? Mir ist schon länger aufgefallen, dass Bevölkerungsumfragen immer wieder ergeben, dass in einzelnen Ländern mit hoher Pressefreiheit – wie Schweden (Platz 1 im Freedomhouse-Ranking), Deutschland (Platz 19) oder den USA (Platz 23) – das Vertrauen in Medien ausgesprochen niedrig ist: Das „Edelman-Trust-Barometer“ zum Beispiel hat ergeben, dass in Deutschland nur 42 Prozent der Menschen den Medien vertrauen, in Schweden sind es 38 Prozent und in den USA 45 Prozent. In Italien dagegen wird die Pressefreiheit weniger stark eingeschätzt (Platz 68, nur „teilweise frei“) – das Vertrauen in die Medien ist dagegen recht hoch (57 Prozent). Ganz drastisch ist es in China und Indonesien, wo 79  bzw. 80 Prozent der Menschen den Medien vertrauen – es aber mit der Pressefreiheit nicht weit her ist (Plätze 179 und 96). Ähnliche Unterschiede hatten sich auch bei der Umfrage „Trust in the Media“ von BBC und Reuters im Jahr 2006 ergeben.

Nun habe ich einen statistischen Beleg dafür gefunden, dass es tatsächlich einen Zusammenhang geben könnte. Wenn man zwischen den aktuellen Werten des Edelman-Trust-Barometers und des Freedomhouse-Rankings die Korrelation berechnet, liegt der Zusammenhang beider Variablen bei 0,51 (berechnet nach Spearman). Das ist eine mittlere Korrelation – und sie ist auf dem Niveau von 0,01 sehr signifikant. Das heißt, die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns mit der Annahme eines Zusammenhangs irren, liegt hier bei unter einem Prozent. Auf den Punkt gebracht: In einem Land mit starker Kommunikationsfreiheit ist grundsätzlich bei der Bevölkerung ein geringes Vertrauen in den Journalismus zu erwarten.

Diagramm-Trust-Pressfreedom.001Man muss natürlich einwenden, dass beide Variablen aus unterschiedlichen Studien stammen, und dass die Werte aus nur 25 Ländern vorliegen. Aber immerhin gehen Länder aus vier Kontinenten in die Berechnung ein (Afrika ist nicht vertreten). Wie gesagt: Das sind nun erste harte Indizien, die weiter wissenschaftlich untersucht werden müssen.

Woran könnte der Zusammenhang liegen?

Zwei Erklärungen liegen auf der Hand: Sägen Journalisten in freien Ländern an dem Ast, auf dem sie sitzen, weil sie mit dem Privileg der Pressefreiheit in einer Weise umgehen, der ihre eigene Glaubwürdigkeit ruiniert? – Oder liegt es nicht vielmehr daran, dass das Publikum in einer offenen Gesellschaft nicht mit einer veröffentlichten Meinung, sondern mit einer vielschichtigen, sich oft widersprechenden öffentlichen Debatte umgehen muss? Wem soll man da vertrauen? Eine pluralistische Öffentlichkeit würde dann grundsätzlich nicht das Vertrauen in den Journalismus fördern.

Die Ergebnisse und Begründungen machen nachdenklich: Wenn der Journalismus in Deutschland eine einheitlichere, eher regierungsnahe Öffentlichkeit herstellen würde, könnte das seine Glaubwürdigkeit stärken. Oder anders formuliert: Ein Journalismus, der nach Vertrauen giert, ist nicht unbedingt ein besserer Journalismus. Diskussionen dazu sind erwünscht.

Nachtrag: Geradezu unglaublich, wie schnell soziale Netzwerke reagieren. Björn Buß hat mich sofort auf Facebook darauf hingewiesen, dass sich Jan Müller in seiner Dissertation mit dieser Frage beschäftigt hat (gerade erschienen am 18.4.2013). Vielen Dank für diesen wertvollen Hinweis! Jan Müller kommt zu dem Ergebnis, „dass zwar in westlichen Demokratien ein ausgeprägter Vertrauensverlust in die Medien zu verzeichnen ist, Nachrichtenmedien in autoritären Regimen dagegen von der Bevölkerung als wesentlich glaubwürdiger eingeschätzt werden. Dieser Befund erklärt sich mit dem sogenannten emanzipativen Wertewandel: Je höher die Bildungsressourcen eines Volkes sind, desto ausgeprägter ist das Maß der kritischen Distanzierung von staatlichen und politischen Institutionen.“

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2 Kommentare

  1. […] der Preis für eine Gesellschaft der Informations- und Meinungsfreiheit sein. Wie eine interessante internationale Vergleichsstudie zeigt, ist tendenziell das Medien-Misstrauen in freiheitlichen Staaten größer ist als in […]

  2. […] Die Beteiligten sind im Gespräch und diese Dialoge finden in Freiheit statt. Immerhin gibt es wissenschaftliche Hinweise, denen zufolge der Status der Medien eigentlich nur in autoritären Staaten unbestritten ist. Die […]


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