Studie: Verzerrt der Journalismus die Realität und wie wirkt sich das aus?
30. Oktober 2014 um 14:13 | Veröffentlicht in Kapitel_3, Kapitel_5, Kapitel_7 | 2 KommentareNiklas Dummer von der Wirtschaftswoche hat mich gerade zu einer interessanten Studie interviewt: Eine Befragung in 14 Ländern zeigte, dass die Menschen die Realität der Gesellschaft ganz anders einschätzen, als sie tatsächlich statistisch berechnet ist. So denken die Deutschen zum Beispiel, dass 23 Prozent der in Deutschland lebenden Menschen Migranten sind – tatsächlich sind es nur 13 Prozent. Oder nur 6 Prozent der Menschen in Deutschland sind Muslime – die Einschätzung liegt bei 19 Prozent. Diese Wahrnehmungsverzerrungen gehen offenbar auf die Berichterstattung der Medien und deren Wirkung zurück. Journalismus stellt die Realität nicht 1:1 dar, wie sie ist, sondern wählt aus und setzt Schwerpunkte, betont die Veränderungen und mögliche Gefahren (das „Neue“) und nicht das „Normale“. Im Beitrag der Wirtschaftswoche wird das noch näher erläutert: Einerseits können wir eine „Skandalisierung“ und einen „Negativismus“ beklagen, andererseits müssen wir uns bewusst sein, dass Journalismus – zu Recht – ein Frühwarnsystem ist und auf nötige Veränderungen besonders stark hinweist.
Deutschland liegt übrigens im Vergleich von 14 Ländern an zweiter Stelle: Nur in Schweden klaffen die Statistik und die Wahrnehmung der Bevölkerung noch weniger auseinander; besonders stark ist der Unterschied in Italien und den USA. Mögliche Gründe dafür? Wir haben hier einen hochwertigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk und im Vergleich zu Südeuropa und anderen Erdteilen traditionell eine hohe Verbreitung von Tageszeitungen. Zudem ist auch der Boulevard-Anteil und im Vergleich zu anderen Ländern offenbar auch die Skandalisierung und ein übertriebener Negativismus herzulande relativ gering.
Audio-Podcast zu Innovationen und zur Zukunft des Journalismus
2. Juni 2014 um 15:06 | Veröffentlicht in Kapitel_7, Qualität, Redaktion | Kommentare deaktiviert für Audio-Podcast zu Innovationen und zur Zukunft des JournalismusVor sieben Jahren haben sie mit meinem Lehrbuch Journalistik das Studium an der Hochschule Darmstadt begonnen – vor kurzem haben sie mich an der Uni Eichstätt besucht: Mit Birte Frey, Jan-Kristian Jessen und Kersten A. Riechers von „Quäntchen und Glück“ durfte ich ein intensives Gespräch zur Zukunft von Tageszeitungen und Verlagen, zu ihrer Bedeutung für die Demokratie und zur Reorganisation von (Lokal-)Redaktionen führen. Herausgekommen ist ein einstündiger Podcast, der vieles anspricht und vertieft, worüber sich Journalisten und Redaktionsmanager heute Gedanken machen. Anlass des Besuchs ist ein Projekt in unserem Masterstudiengang, bei dem wir mit „Quäntchen und Glück“ und einem regionalen Zeitungsverlag kooperieren. Die drei ehemaligen Studierenden beraten und unterstützen den Verlag auf dem Weg zu einem modernen Medienhaus.
Zeitungsvielfalt nimmt weiter ab – weniger als 100 Vollredaktionen in Deutschland
4. Oktober 2013 um 17:27 | Veröffentlicht in Kapitel_4, Kapitel_7, Zeitung | 10 KommentareDie Mediengruppe Madsack, die am Montag erst die Harburger Anzeigen und Nachrichten einstellte, hat in dieser Woche eine Zentralredaktion für Regionalzeitungen angekündigt. Die drei bislang weitgehend eigenständigen Publizistischen Einheiten Märkische Allgemeine Zeitung (Potsdam), Leipziger Volkszeitung und Hannoversche Allgemeine Zeitung werden dann die überregionalen Inhalte aus einer Gemeinschaftsredaktion zugeliefert bekommen und selbst nur noch Regional- und Lokalberichterstattung machen.
Diese Entscheidung des Verlagsmanagements passt in den Trend zur Zeitungskonzentration. Beispiele für Zulieferungen aus Zentralredaktionen geben die Funke-Gruppe in Essen (für WAZ, NRZ, WP und die komplett ohne Redaktion produzierte WR) sowie die Südwestdeutsche Medien Holding, die für die ehemals eigenständigen Zeitungen Frankenpost, Freies Wort, Neue Presse und Südthüringer Zeitung einen gemeinsamen Mantel produzieren lässt, welcher von den ca. 300 Kilometer entfernten „Stuttgarter Nachrichten“ zugeliefert wird [Nachtrag 6.10.: Quelle] [Nachtrag 7.10.: meine Darstellung hier ist missverständlich – bitte die Kommentare der Chefredakteure Johann Pirthauer und Walter Hörmann unten beachten, die die Situation bei den vier Zeitungen detailliert darstellen. Auch die genannte Quelle ist offensichtlich nicht korrekt.].
Alle hier in diesem Beitrag genannten Zeitungstitel (bis auf Neue Presse und Südthüringer Zeitung) werden statistisch zu den 130 „Publizistische Einheiten“ gezählt. Es fehlt eine Statistik, welche die tatsächlich eigenständigen Vollredaktionen erhebt. Immerhin hat Walter J. Schütz, der in viel aufwändiger Kleinarbeit die Zeitungsstatistik über Jahrzehnte hinweg gemacht hat, in der vorerst letzten Statistik 2012 zwölf redaktionelle Kooperationen vermerkt, die insgesamt ca. 30 Publizistische Einheiten umfassten.
In der heute erschienenen dritten Auflage des Lehrbuchs „Journalistik“ schätze ich vorsichtig, dass es weniger als 100 Vollredaktionen in Deutschland gibt (S. 150).
Die nächste Publizistische Einheit ist gestorben
30. September 2013 um 13:01 | Veröffentlicht in Kapitel_4, Kapitel_7, Zeitung | 1 KommentarUnd wieder stirbt eine Publizistische Einheit in Deutschland: Heute sind die Harburger Anzeigen und Nachrichten zum letzten Mal erschienen. Die Lokalzeitung im Süden von Hamburg hatte zuletzt eine Auflage von ca. 12.000 Exemplaren. Schon seit 2004 gibt es eine Kooperation mit dem Hamburger Abendblatt für den überregionalen Teil – dennoch hatte die Zeitungsstatistik von Walter J. Schütz die Harburger Anzeigen und Nachrichten, die erstmals am 5. Oktober 1844 erschienen sind, bis zuletzt als eigene Publizistische Einheit ausgewiesen. Haupteigentümer sind die Madsack-Gruppe aus Hannover und zu knapp einem Viertel der Axel-Springer-Verlag. In Hamburg gibt es jetzt nur noch zwei Publizistische Einheiten – von noch vier im Jahr 2012 (die zweite gestorbene ist die Financial Times Deutschland).
Beim NDR-Radio wird das Thema heute mehrfach erwähnt und analysiert. Das NDR-Info-Mittagsecho (13 bis 14 Uhr) wird u.a. ein Interview mit mir senden.
Der Druck im Newsroom wächst
4. September 2013 um 16:59 | Veröffentlicht in Journalisten, Kapitel_4, Kapitel_7, Medienökonomie, Newsroom, Qualität, Redaktion, Zeitung | Kommentare deaktiviert für Der Druck im Newsroom wächstWeil ich in diesem Blog häufig über Trends der Redaktionsorganisation und Redaktionsforschung berichte, verweise ich heute auf den Beitrag von Hans-Joachim Graubner, der vor ein paar Tagen von seiner Arbeit im Newsroom der Stuttgarter Zeitung erzählt hat. Der Druck sei stark gestiegen, immer mehr Seiten müssten von der gleichen Mannschaft betreut werden – plus neue Publikationskanäle wie Website, Facebook und Twitter. Ein eindrückliches Beispiel dafür, wie die Aufgaben am Newsdesk wachsen. Der Beitrag ist auf einem Streikblog erschienen, mit dem Redakteurinnen und Redakteure der Stuttgarter Zeitung und der Stuttgarter Nachrichten gegen Gehaltsabsenkung und für die Anerkennung journalistischer Arbeit durch die Arbeitgeber (also das Verlagsmanagement) kämpfen.
Innovativer Chefredakteur im Video-Porträt: Ralf Geisenhanslüke
25. April 2013 um 8:34 | Veröffentlicht in Kapitel_4, Kapitel_7, Qualität, Redaktion, Zeitung | 1 KommentarSehr interessantes Video-Porträt eines innovativen Chefredakteurs: Ralf Geisenhanslüke von der Neuen Osnabrücker Zeitung. In dem Beitrag, den Roman Mischel produziert hat, wird das Idealbild eines Chefredakteurs gezeichnet: unaufgeregt, aber konsequent den Weg zum digitalen Journalismus aufzeigen und mit dem Team gehen. Chapeau!
Wenn der Markt versagt: Wie Journalismus finanziert werden kann
23. November 2012 um 21:45 | Veröffentlicht in Internet, Journalismusforschung, Journalistik, Kapitel_7, Kommunikationsfreiheit, Qualität, Zeitung | 4 KommentareNach dem Ende der Financial Times Deutschland (FTD), der Nürnberger Abendzeitung und der Insolvenz der Frankfurter Rundschau wird nun wieder mehr darüber diskutiert, wie tagesaktueller Journalismus – außerhalb der öffentlich-rechtlichen trimedialen Rundfunkanstalten – langfristig finanziell überleben kann (vgl. den Beitrag in der heutigen ARD-Web-Tagesschau mit einem Interview von mir). Dabei geht es auch um die Frage nach der Zukunft des lokalen und regionalen Journalismus. Der NRW-Medienstaatssekretär Marc Jan Eumann hat einen interessanten Diskussionsbeitrag gemacht, über den u.a. Spiegel online berichtet und den er selbst ausführlich darstellt („Wie wir in Zukunft Öffentlichkeit finanzieren“): Eine Stiftung zur Förderung von journalistischer Vielfalt könnte Recherche-Stipendien für Journalisten und Redaktionen vergeben.
Der Medienredakteur der F.A.Z., Michael Hanfeld, sieht das kritisch, aber er ist auch bekannt für seinen Konfrontationen gegen die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und eine eher plumpe schwarz-weiß-Darstellung; er kann sich offenbar nur marktfinanzierten Journalismus vorstellen.
Der Schweizer Journalistik-Professor Vinzenz Wyss hat in einem Facebook-Beitrag auf verschiedene kommunikationswissenschaftliche Ansätze verwiesen. Diese Links möchte ich hier dokumentieren:
In der Medienwissenschaft hat Marie Luise Kiefer interessante Finanzierungsmodelle angetippt: Das sollte man mal gelesen haben. In der Schweiz hat sich insbesondere Manuel Puppis vom IPMZ mit den Fragen beschäftigt. Seine Gedanken sind publiziert, z.B. in dem jüngst erschienenen Buch „Gehen den Leuchttürmen die Lichter aus?“ Und seine Gedanken wurden auch an einem Parlamentarieranlass vom Verein Medienkritik Schweiz diskutiert. Dazu das Papier hier. Man sollte bei der Diskussion wissen, dass keine – also auch keine medienwissenschaftlich ernst zu nehmende – Position vorschlägt, dass der Staat da irgendwas finanzieren soll. Staatsferne ist selbstverständlich gesetzt. Dennoch muss der Staat hier an der Organisation solcher Modell mitwirken. Es gibt hier also nicht plumpes Schwarz/Weiss.
Auf der Facebook-Seite von Vinzenz Wyss kommentiert Marc Jan Eumann:
Wir müssen streiten! Wieviel Vielfalt wollen wir? Wieviel Geld soll wer und warum in die Hand nehmen? Wie sichern wir Unabhängigkeit? Wie gelingt Transparenz? Fragen über Fragen. Es stellen sich noch mehr. Wichtig ist: Der Streit lohnt. Es geht um ein wichtiges Gut: Die Herstellung von Öffentlichkeit durch Journalistinnen und Journalisten, ohne die Demokratie nicht funktioniert. Nebenbei: Es gibt doch viele Beispiele, wo der Staat finanziert, aber die Unabhängigkeit gewährleistet ist: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft, Max-Planck-Institute sind nur zwei. Lasst uns gute Argumente sammeln. Und klar ist auch: Es gibt keinen Königsweg…
Ich finde es wert, diese Punkte öffentlich zu diskutieren. Deshalb habe ich diese Aussagen, die ja bei Facebook nur einen begrenztes Publikum erreichen und vergänglich sind, hier dokumentiert. Aber natürlich ist das alles noch nicht zu Ende diskutiert. Unsere Gesellschaft ist erst am Anfang einer wertvollen Debatte, welchen Journalismus wir uns leisten wollen.
Nachtrag (24.11.): Die Schweizer Kommunikationswissenschaftler Cédric Wermuth und Kurt Imhof im Interview.
Korrektur (24.11. abends): Cédric Wermuth ist Politiker. Er sitzt für die SP im Schweizerischen Nationalrat (vgl. Kommentare). Prof. Dr. Kurt Imhof ist Professor für Publizistikwissenschaft und Soziologie an der Uni Zürich; er leitet den Forschungsbereich Öffentlichkeit und Gesellschaft, in dem regelmäßig das Jahrbuch „Qualität der Medien“ herausgegeben wird.
Interview zum „Zeitungssterben“
22. November 2012 um 12:07 | Veröffentlicht in Kapitel_4, Kapitel_7, Qualität, Zeitung | Kommentare deaktiviert für Interview zum „Zeitungssterben“Heute ist ein Interview mit mir in der Main-Post, Würzburg, zum „Zeitungssterben“ erschienen: „Medienwissenschaftler Klaus Meier sieht keinesfalls schwarz für die Tageszeitung“, heißt es. Meier: „… Wenn der Markt hier versagt, für eine für die Demokratie so wichtige Institution wie den Journalismus, da müssen wir überlegen, wie der Staat eingreifen kann. Ich plädiere nicht dafür, die Verlage direkt zu unterstützen. Wir müssen aber Wege finden, wie wir qualitätsvollen Journalismus öffentlich unterstützen können – mit politischer Unabhängigkeit. In Nordrhein-Westfalen gibt es Pläne für eine NRW-Journalismus-Stiftung zur Förderung journalistischer Vielfalt, die an recherchierende Journalisten Stipendien vergibt oder Redaktionen eine Recherche ermöglicht, die andernfalls nicht finanzierbar wäre. Das ist natürlich noch Zukunftsmusik. Aber es wird das große Thema sein in den nächsten Jahren. Darüber muss unsere Gesellschaft sprechen.“ Der Leitartikel von Chefredakteur Michael Reinhard zum gleichen Thema ist lesenswert: „Die Tageszeitung ist gut und stark“.
Nebenaspekt der CSU-Pressesprecher-Affäre: Kumpanei zwischen Bayerischem Rundfunk und CSU
24. Oktober 2012 um 21:02 | Veröffentlicht in Allgemein, Öffentlich-rechtliche, Ethik, Kapitel_7, Kommunikationsfreiheit, Qualität | 6 KommentareIn der Berichterstattung heute über die Affäre um den Anruf des CSU-Pressesprechers Hans Michael Strepp beim ZDF gibt es einen Nebenaspekt, der ziemlich unterging, den ich aber für bedenklich halte, weil der den Umgang zwischen Journalisten des Bayerischen Rundfunks und der CSU offenlegt. Der Bayerische Rundfunk berichtet (Audio von Nikolaus Neumaier, Leiter der Redaktion Landespolitik im Hörfunk):
Strepp schickte dem BR-Korrespondenten Oliver Mayer-Rüth (ARD-Fernsehen) eine SMS und fragte: „Wissen Sie eigentlich, ob ARD heute was macht zu Ude in Nürnberg? Danke für Info“. Daraufhin bekam er als Antwort: Die ARD mache nichts, vielleicht mache der BR was.
Erstens: Dass ein Parteipressesprecher am Sonntag um 9.41 Uhr eine derartige SMS schreibt, zeugt davon, dass ein enges Verhältnis zwischen ihm und dem Fernsehjournalisten herrscht und solche Anfragen offenbar ganz normal sind.
Zweitens: Die einzige richtige Antwort des Journalisten müsste sein: „Das geht Sie gar nichts, aber schon rein gar nichts an.“
Stattdessen plaudert der Journalist redaktionsinterne Planungen über die Berichterstattung über den SPD-Parteitag an den CSU-Mann aus. Es gibt ganz offensichtlich eine Kumpanei zwischen dem BR-Fernsehen und der CSU – zumindest zwischen dem BR-Korrespondenten im ARD-Hauptstadtstudio und der CSU-Pressestelle.
Dies wird in der Berichterstattung über die ganze Affäre sonst nicht thematisiert (vgl. z.B. 1, 2, 3, 4, auch nicht im ARD-Tagesschau-Beitrag zur Affäre). Oder ist mir was entgangen?
Wenigstens stimmte dann die Berichterstattung am Ende (entgegen der Auskunft des BR-Journalisten): Beide öffentlich-rechtlichen Sender, ARD und ZDF, berichteten in ihren Nachrichtensendungen sowohl über den CSU- als auch über den SPD-Landesparteitag. Wer weiß: Vielleicht hat die Tagesschau-Redaktion in Hamburg ja am Ende anders entschieden, als die BR-Journalisten im ARD-Hauptstadtstudio wollten?
Nachtrag (26.10.2012): Ich habe heute mit dem BR-Korrespondenten Oliver Mayer-Rüth telefoniert. Er sagte, die SMS von Strepp an ihn sei „unüblich“ gewesen und seine sofortige Antwort eine „höfliche Geste“. Er wehrt sich gegen den Vorwurf der Kumpanei; schließlich habe er von sich aus dazu beigetragen, die Sache zu veröffentlichen und damit transparent zu machen (via den oben erwähnten Audio-Beitrag von B5-aktuell). Da gebe ich ihm Recht: Wenn er tatsächlich ein Kumpan des CSU-Pressesprechers wäre, hätte er geschwiegen.
Neue Nachrichten und Prognosen zur Krise der gedruckten Tageszeitung
1. Oktober 2012 um 11:33 | Veröffentlicht in Kapitel_4, Kapitel_7, Zeitung | 8 KommentareDer 1. Oktober 2012 markiert einen neuen Höhepunkt in der Seismographie der Krise der täglich gedruckten Nachrichten: Die Nürnberger „Abendzeitung“ ist gestorben und erscheint ab heute nicht mehr. Und die „Nürnberger Zeitung“ produziert keinen eigenen Lokalteil mehr, sondern übernimmt diesen ab heute von der Schwesterzeitung „Nürnberger Nachrichten“ Korrektur zur Situation bei der Nürnberger Zeitung (NZ) und den Nürnberger Nachrichten (NN) (Danke für den Hinweis an Klaus Schrage und sorry für den Fehler!): Es gibt in Nürnberg einen Zusatz-Lokalteil. Das waren bisher NZ Plus und NN Extra. Jetzt heißt es „Mehr Nürnberg“ – und wird unter der Federführung der NN-Redaktion produziert; die eigentlichen Lokalteile, die bei NN und NZ in der Gesamtausgabe durchlaufen, gibt es aber weiterhin (vgl. zu beiden voneinander unabhänigen Ereignissen die Nachricht bei Newsroom.de). Und in New Orleans ist ab heute die erste US-Metroploe ohne tägliche Zeitung: Die „Times Picayune“ erscheint nach 175 Jahren nur noch drei Mal in der Woche gedruckt – und permanent aktualisiert im Internet (vgl. die Nachricht im Deutschlandfunk oder bei onlinejournalismus.de).
In diesen Tagen habe ich mich für einen Buchbeitrag mit der Frage beschäftigt: „Wird es bald keine gedruckte Tageszeitung mehr geben?“ Mein Text hier für Interessierte zur Info – und gerne auch zum Kommentieren: Continue Reading Neue Nachrichten und Prognosen zur Krise der gedruckten Tageszeitung…
Interview zum neuen Spiegelblog und zur Reaktion der Tagesschau auf einen Facebook-Shitstorm
1. Oktober 2012 um 10:55 | Veröffentlicht in Ethik, Internet, Kapitel_7, Qualität, Redaktion | Kommentare deaktiviert für Interview zum neuen Spiegelblog und zur Reaktion der Tagesschau auf einen Facebook-ShitstormDer Spiegel hat ein neues Redaktionsblog, in dem zum Beispiel der hauseigene Medienjournalist Stefan Niggemeier bei Kollegen kritisch nachfragt – und die Tagesschau müht sich im Redaktionsblog um Schadensbegrenzung, weil Facebook-Nutzer sich massiv darüber beschwert haben, dass die Proteste in Madrid am Dienstag, 25.9., nicht in die 20 Uhr-Ausgabe gekommen waren. Das sind zwei Anlässe für die Redaktion der Sendung „Markt und Medien“ des Deutschlandfunk, das Thema Offenheit und Transparenz von Redaktionen und den Umgang mit einem kritischen Netz-Publikum zu thematisieren (Sendung vom 29.9.). Das Interview mit mir kann man hier nachhören.
Hintergrund: Das Thema begleitet mich schon länger, z.B.: Unsere Studie zu Transparenz und Vertrauen im Journalismus sowie weitere Infos zu Transparenz in anderen Redaktionen und ein früheres Interview 2009.
Katerstimmung nach der EM: Unterhaltungsindustrie und Party statt Sportjournalismus
2. Juli 2012 um 9:43 | Veröffentlicht in Öffentlich-rechtliche, Ethik, Kapitel_5, Kapitel_7, Qualität, Zeitung | 2 KommentareWas bleibt nach der Fußball-EM? – Vor allem eine riesige Katerstimmung nicht wegen der deutschen Mannschaft, sondern aufgrund der Berichterstattung, die man in weiten Teilen nicht mehr als Sportjournalismus bezeichnen kann, sondern als gigantische Unterhaltungsindustrie. Klassische journalistische Werte wie Fairness, Unparteilichkeit oder Transparenz gehen im Kult um „Reichweite durch Party“ unter. Es wurde in Blogs und Sozialen Netzwerken schon viel dazu geschrieben, weshalb ich mich hier darauf beschränke, die treffenden Analysen zu sammeln:
- Arnd Zeigler bringt es in einem offenen Brief auf Facebook auf den Punkt: „Wer jetzt so tut als seien die deutschen Spieler nach der ersten Niederlage nach 16 Siegen hintereinander (oder wieviele waren es?) plötzlich alles Vollpfosten, Totalversager und Nullen und ihr Trainer ein Nichtskönner, der hat den Fußball nicht mal im Ansatz verstanden.“
- Und Bildblog hat zusammengetragen, wie die „Bild“-Zeitung die deutschen Spieler zuerst wie Helden verehrt und dann in Grund und Boden geschrieben hat. Beides völlig maßlos, unmenschlich und ekelhaft.
- Die Bilder, die wir im Fernsehen von den Spielen bekommen, werden nicht von journalistischen Redaktionen ausgewählt, sondern von den Veranstaltern selbst. Wir sehen unter dem Label von ARD und ZDF die PR-Unterhaltung der UEFA. Missliebige Szenen werden nicht gezeigt (Feuerwerke unter Zuschauern, Flitzer, leere Plätze), Bilder um der Unterhaltung Willen gefälscht (z.B. „Löw und der Balljunge“ oder „Tränen nach dem Tor“).
- Die Berichterstattung hätte das ZDF nutzen können, um ein junges Publikum von der Qualität und Attraktivität seines Programms zu überzeugen. Statt dessen inszeniert man ein Strandstudio mit Liegestühlen an der Ostsee, für das die AOK Nordost exklusiver Partner war und das von der Süddeutschen Zeitung trefflich als „eine Art AOK-Kongress“ bezeichnet wurde. Nur noch peinlich war der Versuch, Twitter in die Sendung einzubinden – mit einem hilflosen Oliver Kahn.
Am Tag 1 nach der EM fassen wir uns an den Kopf – und können es inzwischen nur zu gut verstehen, wenn im Freundeskreis „über die Medien“ geschimpft wird. Normalerweise versuche ich, den Journalismus und die Journalisten zu verteidigen. Heute sind mir die Argumente ausgegangen.
Neue Zeitschrift zur angewandten Journalismusforschung: Die Kluft zwischen Forschung und Praxis überwinden
14. Mai 2012 um 9:14 | Veröffentlicht in Journalismusforschung, Kapitel_1, Kapitel_7, Qualität | Kommentare deaktiviert für Neue Zeitschrift zur angewandten Journalismusforschung: Die Kluft zwischen Forschung und Praxis überwindenEine neue wissenschaftliche Fachzeitschrift möchte die Kluft zwischen journalistischer Praxis und Forschung überbrücken. Das internationale „Journal of Applied Journalism & Media Studies“ hat sich zum Ziel gesetzt, „to bridge the gap between media and communication research and actors with a say in media production, i.e. broadcasters, newspapers, radios, Internet-based media outlets, etc.“. Die erste Nummer ist kostenlos. Den Aufmacher-Beitrag hat Daniel Perrin von der Zürcher Hochschule Winterthur geschrieben. Es handelt sich um die erweiterte Fassung seiner Antrittsvorlesung. Er nutzt die Aktionsforschung als theoretischen Rahmen für ein Forschungsprojekt, das er mit der öffentlich-rechtlichen „Idée suisse“ durchgeführt hat. Einen ähnlichen Ansatz verfolge ich mit meinen angewandten Forschungsprojekten. Ich habe diese „interaktive Innovationsforschung“ in einem Beitrag im Buch „Methoden der Journalismusforschung“ beschrieben.
In einem weiteren Beitrag in dem neuen Journal werden zehn Regeln für Nachrichtenmedien zum Gebrauch von Twitter begründet und ausgeführt.
Social TV: „rundshow“-Experiment des Bayerischen Rundfunks
4. Mai 2012 um 9:30 | Veröffentlicht in Internet, Kapitel_4, Kapitel_7, Qualität | Kommentare deaktiviert für Social TV: „rundshow“-Experiment des Bayerischen RundfunksÜber dieses Projekt ist schon viel gebloggt und erzählt worden (zuletzt zum Beispiel bei den Netzpiloten oder beim Organisator und Macher Richard Gutjahr selbst oder als Pressemitteilung des BR oder vor allem im rundshow-Blog). Ich möchte hier kurz darauf hinweisen, weil ich es für ein spannendes Experiment halte: Ab 14. Mai wird der Bayerische Rundfunk vier Wochen lang testen, wie das interaktive Internet mit dem linearen Fernsehen kombiniert werden kann. Die „rundshow“ will täglich 30 Minuten Live-Interaktion ausprobieren: von Montag bis Donnerstag um 23.15 Uhr.
Mitten in der heißen Vorbereitungsphase gibt Gutjahr am Dienstag, den 8. Mai, in einem 75minütigen Webinar des Forums für Journalismus und Medien Wien (Fjum) Einblick in das Innovationsprojekt. An dem Webinar kann jeder mitmachen und Fragen stellen (ab 17.30 Uhr) – mit vorheriger Anmeldung.
Und wieder ein massiver Verstoß gegen die Ethik: Zeitungen veröffentlichen Fotos von toten Kindern
16. März 2012 um 19:09 | Veröffentlicht in Ethik, Kapitel_7 | 6 KommentareEs ist drei Jahre her: Nach dem Amoklauf von Winnenden gab es einen Aufschrei über die massiven Verstöße gegen die journalistische Ethik. U.a. wurde angeprangert, dass in vielen Zeitungen und Zeitschriften Fotos von jugendlichen Opfern abgebildet wurden – oft gestohlen aus sozialen Netzwerken. Was haben wir daraus gelernt? – Nichts. Wieder werden Fotos von Kindern, die bei einem schrecklichen Unfall ums Leben kamen, auf der Titelseite ganz groß veröffentlicht (Text: „Die toten Kinder aus dem Reisebus“). Doch halt – eines hat zumindest „Bild” gelernt: Man will einen „Shitstorm” vermeiden. Laut turi2 versichert ganz schnell „Bild”-Sprecher Tobias Fröhlich,
die Redaktion habe die Bilder nicht von einer Website geklaut und „definitiv die Genehmigung zum Abdruck der Bilder gehabt“. Jedoch will Fröhlich nicht sagen, von wem „Bild“ die Genehmigung hatte – das seien „Redaktionsinterna“.
Bei „Bild” steht auf der Titelseite: „Auf Wunsch der Eltern bleiben die Namen der Kinder ungenannt.” Was für eine Heuchelei. Ich kann mir keine Eltern vorstellen, die nicht auch und noch viel mehr folgenden Satz unterschreiben würden: „Auf Wunsch der Eltern bleiben die Fotos der Kinder ungedruckt.”
Welchen Informationswert haben die Fotos? Wodurch ist es zu rechtfertigen, sie auf der Titelseite abzudrucken? Es geht einzig und allein um die Sensationsgeilheit von Redakteuren und Lesen. Warum solche Fotos nicht veröffentlicht werden dürfen, steht im Pressekodex, wird bei Unglücken immer wieder diskutiert und ist auch jetzt wieder Thema (vgl. z.B. die ausführliche Darlegung bei der NZZ).
Just heute schickte der Deutsche Presserat eine Pressemitteilung ins Land: „Opfer genießen besonderen Schutz – Drei Rügen wegen Verstößen gegen Persönlichkeitsrechte“. Es geht um die „Identifizierende Darstellungen von Opfern“ – u.a. in „B.Z.“, „Bild” und „Dresdner Morgenpost” in den vergangenen Monaten. Effekt? – Null. Es ist so traurig.
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