Statistisch belegt: starke Pressefreiheit und geringes Vertrauen in die Medien hängen zusammen

17. Mai 2013 um 16:06 | Veröffentlicht in Allgemein, Journalismusforschung, Kapitel_2, Kapitel_3, Kommunikationsfreiheit | 2 Kommentare

Eine Frage, die bislang meines Wissens nicht wissenschaftlich untersucht ist, treibt mich schon länger um: Hängt das Vertrauen, das die Menschen in die Medien und den Journalismus haben, mit dem Grad der Pressefreiheit in ihrem Land zusammen? Mir ist schon länger aufgefallen, dass Bevölkerungsumfragen immer wieder ergeben, dass in einzelnen Ländern mit hoher Pressefreiheit – wie Schweden (Platz 1 im Freedomhouse-Ranking), Deutschland (Platz 19) oder den USA (Platz 23) – das Vertrauen in Medien ausgesprochen niedrig ist: Das „Edelman-Trust-Barometer“ zum Beispiel hat ergeben, dass in Deutschland nur 42 Prozent der Menschen den Medien vertrauen, in Schweden sind es 38 Prozent und in den USA 45 Prozent. In Italien dagegen wird die Pressefreiheit weniger stark eingeschätzt (Platz 68, nur „teilweise frei“) – das Vertrauen in die Medien ist dagegen recht hoch (57 Prozent). Ganz drastisch ist es in China und Indonesien, wo 79  bzw. 80 Prozent der Menschen den Medien vertrauen – es aber mit der Pressefreiheit nicht weit her ist (Plätze 179 und 96). Ähnliche Unterschiede hatten sich auch bei der Umfrage „Trust in the Media“ von BBC und Reuters im Jahr 2006 ergeben.

Nun habe ich einen statistischen Beleg dafür gefunden, dass es tatsächlich einen Zusammenhang geben könnte. Wenn man zwischen den aktuellen Werten des Edelman-Trust-Barometers und des Freedomhouse-Rankings die Korrelation berechnet, liegt der Zusammenhang beider Variablen bei 0,51 (berechnet nach Spearman). Das ist eine mittlere Korrelation – und sie ist auf dem Niveau von 0,01 sehr signifikant. Das heißt, die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns mit der Annahme eines Zusammenhangs irren, liegt hier bei unter einem Prozent. Auf den Punkt gebracht: In einem Land mit starker Kommunikationsfreiheit ist grundsätzlich bei der Bevölkerung ein geringes Vertrauen in den Journalismus zu erwarten.

Diagramm-Trust-Pressfreedom.001Man muss natürlich einwenden, dass beide Variablen aus unterschiedlichen Studien stammen, und dass die Werte aus nur 25 Ländern vorliegen. Aber immerhin gehen Länder aus vier Kontinenten in die Berechnung ein (Afrika ist nicht vertreten). Wie gesagt: Das sind nun erste harte Indizien, die weiter wissenschaftlich untersucht werden müssen.

Woran könnte der Zusammenhang liegen?

Zwei Erklärungen liegen auf der Hand: Sägen Journalisten in freien Ländern an dem Ast, auf dem sie sitzen, weil sie mit dem Privileg der Pressefreiheit in einer Weise umgehen, der ihre eigene Glaubwürdigkeit ruiniert? – Oder liegt es nicht vielmehr daran, dass das Publikum in einer offenen Gesellschaft nicht mit einer veröffentlichten Meinung, sondern mit einer vielschichtigen, sich oft widersprechenden öffentlichen Debatte umgehen muss? Wem soll man da vertrauen? Eine pluralistische Öffentlichkeit würde dann grundsätzlich nicht das Vertrauen in den Journalismus fördern.

Die Ergebnisse und Begründungen machen nachdenklich: Wenn der Journalismus in Deutschland eine einheitlichere, eher regierungsnahe Öffentlichkeit herstellen würde, könnte das seine Glaubwürdigkeit stärken. Oder anders formuliert: Ein Journalismus, der nach Vertrauen giert, ist nicht unbedingt ein besserer Journalismus. Diskussionen dazu sind erwünscht.

Nachtrag: Geradezu unglaublich, wie schnell soziale Netzwerke reagieren. Björn Buß hat mich sofort auf Facebook darauf hingewiesen, dass sich Jan Müller in seiner Dissertation mit dieser Frage beschäftigt hat (gerade erschienen am 18.4.2013). Vielen Dank für diesen wertvollen Hinweis! Jan Müller kommt zu dem Ergebnis, „dass zwar in westlichen Demokratien ein ausgeprägter Vertrauensverlust in die Medien zu verzeichnen ist, Nachrichtenmedien in autoritären Regimen dagegen von der Bevölkerung als wesentlich glaubwürdiger eingeschätzt werden. Dieser Befund erklärt sich mit dem sogenannten emanzipativen Wertewandel: Je höher die Bildungsressourcen eines Volkes sind, desto ausgeprägter ist das Maß der kritischen Distanzierung von staatlichen und politischen Institutionen.“

Wenn der Markt versagt: Wie Journalismus finanziert werden kann

23. November 2012 um 21:45 | Veröffentlicht in Internet, Journalismusforschung, Journalistik, Kapitel_7, Kommunikationsfreiheit, Qualität, Zeitung | 4 Kommentare

Nach dem Ende der Financial Times Deutschland (FTD), der Nürnberger Abendzeitung und der Insolvenz der Frankfurter Rundschau wird nun wieder mehr darüber diskutiert, wie tagesaktueller Journalismus – außerhalb der öffentlich-rechtlichen trimedialen Rundfunkanstalten – langfristig finanziell überleben kann (vgl. den Beitrag in der heutigen ARD-Web-Tagesschau mit einem Interview von mir). Dabei geht es auch um die Frage nach der Zukunft des lokalen und regionalen Journalismus. Der NRW-Medienstaatssekretär Marc Jan Eumann hat einen interessanten Diskussionsbeitrag gemacht, über den u.a. Spiegel online berichtet und den er selbst ausführlich darstellt („Wie wir in Zukunft Öffentlichkeit finanzieren“): Eine Stiftung zur Förderung von journalistischer Vielfalt könnte Recherche-Stipendien für Journalisten und Redaktionen vergeben.

Der Medienredakteur der F.A.Z., Michael Hanfeld, sieht das kritisch, aber er ist auch bekannt für seinen Konfrontationen gegen die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und eine eher plumpe schwarz-weiß-Darstellung; er kann sich offenbar nur marktfinanzierten Journalismus vorstellen.

Der Schweizer Journalistik-Professor Vinzenz Wyss hat in einem Facebook-Beitrag auf verschiedene kommunikationswissenschaftliche Ansätze verwiesen. Diese Links möchte ich hier dokumentieren:

In der Medienwissenschaft hat Marie Luise Kiefer interessante Finanzierungsmodelle angetippt:  Das sollte man mal gelesen haben. In der Schweiz hat sich insbesondere Manuel Puppis vom IPMZ mit den Fragen beschäftigt. Seine Gedanken sind publiziert, z.B. in dem jüngst erschienenen Buch „Gehen den Leuchttürmen die Lichter aus?“  Und seine Gedanken wurden auch an einem Parlamentarieranlass vom Verein Medienkritik Schweiz diskutiert. Dazu das Papier hier. Man sollte bei der Diskussion wissen, dass keine – also auch keine medienwissenschaftlich ernst zu nehmende – Position vorschlägt, dass der Staat da irgendwas finanzieren soll. Staatsferne ist selbstverständlich gesetzt. Dennoch muss der Staat hier an der Organisation solcher Modell mitwirken. Es gibt hier also nicht plumpes Schwarz/Weiss.

Auf der Facebook-Seite von Vinzenz Wyss kommentiert Marc Jan Eumann:

Wir müssen streiten! Wieviel Vielfalt wollen wir? Wieviel Geld soll wer und warum in die Hand nehmen? Wie sichern wir Unabhängigkeit? Wie gelingt Transparenz? Fragen über Fragen. Es stellen sich noch mehr. Wichtig ist: Der Streit lohnt. Es geht um ein wichtiges Gut: Die Herstellung von Öffentlichkeit durch Journalistinnen und Journalisten, ohne die Demokratie nicht funktioniert. Nebenbei: Es gibt doch viele Beispiele, wo der Staat finanziert, aber die Unabhängigkeit gewährleistet ist: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft, Max-Planck-Institute sind nur zwei. Lasst uns gute Argumente sammeln. Und klar ist auch: Es gibt keinen Königsweg…

Ich finde es wert, diese Punkte öffentlich zu diskutieren. Deshalb habe ich diese Aussagen, die ja bei Facebook nur einen begrenztes Publikum erreichen und vergänglich sind, hier dokumentiert. Aber natürlich ist das alles noch nicht zu Ende diskutiert. Unsere Gesellschaft ist erst am Anfang einer wertvollen Debatte, welchen Journalismus wir uns leisten wollen.

Nachtrag (24.11.): Die Schweizer Kommunikationswissenschaftler Cédric Wermuth und Kurt Imhof im Interview.

Korrektur (24.11. abends): Cédric Wermuth ist Politiker. Er sitzt für die SP im Schweizerischen Nationalrat (vgl. Kommentare). Prof. Dr. Kurt Imhof ist Professor für Publizistikwissenschaft und Soziologie an der Uni Zürich; er leitet den Forschungsbereich Öffentlichkeit und Gesellschaft, in dem regelmäßig das Jahrbuch „Qualität der Medien“ herausgegeben wird.

Nebenaspekt der CSU-Pressesprecher-Affäre: Kumpanei zwischen Bayerischem Rundfunk und CSU

24. Oktober 2012 um 21:02 | Veröffentlicht in Allgemein, Öffentlich-rechtliche, Ethik, Kapitel_7, Kommunikationsfreiheit, Qualität | 6 Kommentare

In der Berichterstattung heute über die Affäre um den Anruf des CSU-Pressesprechers Hans Michael Strepp beim ZDF gibt es einen Nebenaspekt, der ziemlich unterging, den ich aber für bedenklich halte, weil der den Umgang zwischen Journalisten des Bayerischen Rundfunks und der CSU offenlegt. Der Bayerische Rundfunk berichtet (Audio von Nikolaus Neumaier, Leiter der Redaktion Landespolitik im Hörfunk):

Strepp schickte dem BR-Korrespondenten Oliver Mayer-Rüth (ARD-Fernsehen) eine SMS und fragte: „Wissen Sie eigentlich, ob ARD heute was macht zu Ude in Nürnberg? Danke für Info“. Daraufhin bekam er als Antwort: Die ARD mache nichts, vielleicht mache der BR was.

Erstens: Dass ein Parteipressesprecher am Sonntag um 9.41 Uhr eine derartige SMS schreibt, zeugt davon, dass ein enges Verhältnis zwischen ihm und dem Fernsehjournalisten herrscht und solche Anfragen offenbar ganz normal sind.

Zweitens: Die einzige richtige Antwort des Journalisten müsste sein: „Das geht Sie gar nichts, aber schon rein gar nichts an.“

Stattdessen plaudert der Journalist redaktionsinterne Planungen über die Berichterstattung über den SPD-Parteitag an den CSU-Mann aus. Es gibt ganz offensichtlich eine Kumpanei zwischen dem BR-Fernsehen und der CSU – zumindest zwischen dem BR-Korrespondenten im ARD-Hauptstadtstudio und der CSU-Pressestelle.

Dies wird in der Berichterstattung über die ganze Affäre sonst nicht thematisiert (vgl. z.B. 1, 2, 3, 4, auch nicht im ARD-Tagesschau-Beitrag zur Affäre). Oder ist mir was entgangen?

Wenigstens stimmte dann die Berichterstattung am Ende (entgegen der Auskunft des BR-Journalisten): Beide öffentlich-rechtlichen Sender, ARD und ZDF, berichteten in ihren Nachrichtensendungen sowohl über den CSU- als auch über den SPD-Landesparteitag. Wer weiß: Vielleicht hat die Tagesschau-Redaktion in Hamburg ja am Ende anders entschieden, als die BR-Journalisten im ARD-Hauptstadtstudio wollten?

Nachtrag (26.10.2012): Ich habe heute mit dem BR-Korrespondenten Oliver Mayer-Rüth telefoniert. Er sagte, die SMS von Strepp an ihn sei „unüblich“ gewesen und seine sofortige Antwort eine „höfliche Geste“. Er wehrt sich gegen den Vorwurf der Kumpanei; schließlich habe er von sich aus dazu beigetragen, die Sache zu veröffentlichen und damit transparent zu machen (via den oben erwähnten Audio-Beitrag von B5-aktuell). Da gebe ich ihm Recht: Wenn er tatsächlich ein Kumpan des CSU-Pressesprechers wäre, hätte er geschwiegen.

Die Politik mischt sich wieder stärker in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ein

20. März 2009 um 21:33 | Veröffentlicht in Öffentlich-rechtliche, Kapitel_4, Kommunikationsfreiheit | Kommentare deaktiviert für Die Politik mischt sich wieder stärker in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ein

Über die wirtschaftliche Abhängigkeit des privat-kommerziell organisierten Journalismus habe ich im Buch „Journalistik“ und in diesem Blog öfter geschrieben. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat ein ganz anderes Problem: Er ist von der Politik – vor allem von den Landesregierungen – abhängig. Der ehemalige ZDF-Chefredakteur Klaus Bresser hat das vor kurzem im Rückblick ungewöhnlich offen beschrieben:

„Dass eine Partei unbequeme Journalisten im öffentlich-rechtlichen Fernsehen kaltzustellen sucht und sich dafür Kollegen auswählt, die ihr besser in den Kram passen. […] Gerade weil die Parteien auf das Kommerzfernsehen keinen Einfluss haben, versuchen sie bei ARD und ZDF um so entschiedener durchzugreifen. Erst recht dann, wenn wie in diesem Jahr Bundestagswahlen bevorstehen. Es geht 2009 für die CDU/CSU um viel, beinahe um alles – um die Frage, wie die Union an der Macht bleibt, mit der FDP regieren kann oder weiterregieren muss mit der SPD […].“

Vor allem der hessische Ministerpräsident Roland Koch greift über die CDU-Rundfunkräte und die Räte, welche der CDU nahe stehen, in das ZDF und in den Hessischen Rundfunk ein. Die Anstalt in Frankfurt hat er schon weitgehend gefügig gemacht. Die Süddeutsche Zeitung beschreibt heute die Historie dieses Eingriffs in den HR („Roland Kochs Spielwiese„). In meinen Lehrveranstaltungen verweise ich des öfteren auf die völlig veraltete Zusammensetzung des HR-Rundfunkrats (27 Männer, 3 Frauen). Dabei ist es wichtig zu wissen, dass das Hessische Parlament unter Roland Koch 2000 und nochmals 2003 das Gesetz über die Zusammensetzung des Rundfunkrats geändert hat – mit der Begründung: Die in dem Gremium vertretenen Gruppen seien „nicht mehr als repräsentatives Abbild der Gesellschaft einzustufen“. Sicher sehr sinnvoll war es deshalb, zum Beispiel den Bund der Vertriebenen oder die Europa-Union in den Rundfunkrat zu holen. Die einzige Modernisierung dieses Gremiums bestand in der Ausweitung des parteipolitischen, konservativen Einflusses.

Die Koch-Strategie ist mit dem in der Zwischenzeit berufenen konservativen Intendanten Helmut Reitze (seit 2002) und dem konservativen Chefredakteur Alois Theisen (seit 2005) voll aufgegangen. Jetzt probiert es Koch mit dem ZDF: Er sägt am Stuhl des Chefredakteurs Nikolaus Brender (ohne Parteibuch). Noch ist ihm seine Abberufung nicht gelungen – der Gegenwind ist beim ZDF weitaus stärker als beim HR. Eine Unterschriftenliste gegen die Koch-Aktion wurde u.a. von Claus Kleber, Maybrit Illner, Marietta Slomka und Guido Knopp unterzeichnet. Wer mitmachen will: www.brender-muss-bleiben.de.

Heftige Diskussion um Nachdruck von Nazi-Zeitungen

26. Januar 2009 um 12:10 | Veröffentlicht in Ethik, Journalistik, Kapitel_2, Kommunikationsfreiheit, Zeitung | Kommentare deaktiviert für Heftige Diskussion um Nachdruck von Nazi-Zeitungen

Muss der Staat seine Bürger vor dem Nachdruck von NS-Dokumenten schützen? Oder haben wir 60 Jahre nach Kriegsende nahezu ausschließlich mündige Bürger, die sich offen mit diesen Dokumenten auseinandersetzen sollten? – Das Projekt „Zeitungszeugen“ hat die Diskussion um NS-Propagandamaterial erneut entflammt. Seit Anfang Januar werden Zeitungen aus der NS-Zeit nachgedruckt und in einem Umschlag mit kritischer Einordnung durch Historiker am Kiosk verkauft. Die bayerische Staatsregierung hat jetzt die Beschlagnahmung aller im Handel befindlichen Faksimiles desVölkischen Beobachters angeordnet. Wer sich noch ein Exemplar sichern will, muss schnell sein. Es gibt inzwischen viele Medienbeiträge und -diskussionen zu diesem Streit. Ich empfehle vor allem zwei Beiträge: Der westen.de berichtet über eine Diskussion am Institut für Journalistik in Dortmund, wo Professor Horst Pöttker das Projekt verteidigt (er ist im wissenschaftlichen Beirat der „Zeitungszeugen“). Ich kann seine Argumentation sehr nachvollziehen: „60 Jahre nach Kriegsende brauchen wir keinen pädagogischen oder paternalistischen Umgang mit dem NS-Propaganda-Material mehr“, meint Pöttker. Gerade in der Journalistenausbildung sollte Nazi-Propagandamaterial nicht tabuisiert werden. In der Süddeutschen Zeitung hat der Autor Marc Felix Serrao Stimmen aus dem In- und Ausland zur Frage gesammelt, ob sich die Deutschen noch vor ihrer Vergangenheit beschützen müssen.

Umfassendes Gutachten zur Entwicklung der Medien in Deutschland

19. Dezember 2008 um 11:20 | Veröffentlicht in Journalismusforschung, Kapitel_4, Kapitel_7, Kommunikationsfreiheit, Medienökonomie, Qualität | 1 Kommentar

Die Bundesregierung hat in dieser Woche einen neuen Medien- und Kommunikationsbericht in Berlin vorgestellt. Der letzte Bericht stammt aus dem Jahr 1998. Ziel dieser Berichte, die an den Bundestag gehen und öffentlich zur Verfügung stehen, ist es in erster Linie, die Medienpolitik in Deutschland darzulegen. Das ist bei den Aspekten, die mit Journalismus zu tun haben, dann nicht so richtig befriedigend: Häufig werden „Defizite festgestellt“ und es wird schön formuliert, dass die Bundesregierung einen „erheblichen Handlungsbedarf“ sieht (z.B. zur Aus- und Fortbildung von Journalisten, S. 85f.) – aber die Standardantwort ist meist, dass die Bundesregierung nur beschränkte Handlungsmöglichkeiten hat und andere gefordert sind (z.B. die Medienunternehmen, was die praktische Ausbildung betrifft, oder die Bundesländer, was die Hochschulausbildung angeht). Das ist zwar richtig, nur wahnsinnig erhellend ist der Bericht dann in dieser Hinsicht nicht – und erst recht nicht lösungsorientiert. Dieses Geschwurbel hätte man sich schenken können (jetzt hat es halt die Bundesregierung auch mal gesagt).

Aber: Für ein wissenschaftliches Fachpublikum ist vor allem das umfassende Gutachten, das dem Bericht zu Grunde lag, lesenswert: Das Hans-Bredow-Institut der Universität Hamburg hat auf 380 Seiten die Entwicklung der Medien in den vergangenen zehn Jahren zusammengefasst und analysiert – auf Basis einer intensiven Recherche in zahlreichen wissenschaftlichen Studien. Das Gutachten stammt vom 4. Juni 2008 und steht jetzt ebenfalls als pdf-Datei zur Verfügung. Ich empfehle die pdf-Datei für Journalistik-Studierende als Basis für wissenschaftliche Recherchen in Seminaren und Abschlussarbeiten. Vielleicht kann man ja auch über die Feiertage mal reinlesen…

Reporter ohne Grenzen: Rangliste Pressefreiheit 2007

17. Oktober 2007 um 11:54 | Veröffentlicht in Kapitel_2, Kommunikationsfreiheit | Kommentare deaktiviert für Reporter ohne Grenzen: Rangliste Pressefreiheit 2007

Der Verein „Reporter ohne Grenzen“ hat gestern die neueste Rangliste zur Pressefreiheit veröffentlicht. Wie schon im Ranking des Freedomhouse hat sich auch hier nicht viel verändert: Die Pressefreiheit stagniert weltweit. Deutschland ist auf Platz 20, die USA auf Platz 48. In Europa wird die Pressefreiheit am schlechtesten in Polen bewertet (Platz 56). Das Internet gewinnt zunehmende Bedeutung: Mehrere Länder sind auf der aktuellen Liste abgestiegen, da sie den freien Informationsfluss im Internet behindern und kritische Autoren verhaftet haben. Beispiele sind Malaysia (124.), Thailand (135.), Vietnam (162.) und Ägypten (146.). „Das Internet wird stärker zensiert“, so ROG. „Mehr und mehr Regierungen erkennen die Schlüsselrolle des Webs im Kampf für Demokratie und entwickeln immer ausgefeiltere Zensurmethoden. In repressiven Staaten sind Blogger und Internetjournalisten inzwischen genauso Zielscheibe von Repressionen wie schon die traditionellen Medien.“ Mindestens 64 Menschen sind derzeit weltweit wegen Veröffentlichungen im Internet im Gefängnis – alleine in China sind es 50. In Ägypten erhielt der Jurastudent und Blogger Kareem Amer vier Jahre Haft, da er Präsident Mubarak und den Einfluss des Islam an den Universitäten kritisiert hatte.

Innere Sicherheit contra Pressefreiheit

10. Oktober 2007 um 12:12 | Veröffentlicht in Kapitel_2, Kommunikationsfreiheit | Kommentare deaktiviert für Innere Sicherheit contra Pressefreiheit

In einer lesenswerten Kolumne der Zeitschrift „Publizistik“ (Heft 3/07, S. 303-307) reflektiert Heribert Prantl, Ressortleiter Innenpolitik der Süddeutschen Zeitung, die Kommunikationsfreiheit in Deutschland. „Die Regel lautet offenbar: Die Pressefreiheit muss beiseitespringen, wenn die Staatsgewalt mit Blaulicht daherkommt.“ Das Bundesverfassungsgericht hat zwar wiederholt die Sicherheitsbehörden (Polizei, Staatsanwälte, Gerichte, Innenminister) ermahnt, den Artikel 5 des Grundgesetzes zu achten – aber die Behörden verstoßen immer wieder dagegen. Es geht grundsätzlich darum, dass Journalisten Beihilfe zum „Geheimnisverrat“ vorgeworfen wird, wenn Informanten aus Behörden Unregelmäßigkeiten in Staat und Verwaltung aufdecken. Letztlich ist das der alte Streitpunkt seit dem Spiegel-Urteil, den ich in Kapitel 2 besprochen habe. Prantl bringt die aktuelle Situation auf den Punkt – und er fordert ein „Gesetz zur Sicherung der Pressefreiheit“. Der Beitrag ist zurzeit leider nicht online verfügbar. Man muss sich also in die Bibliothek begeben. Auch der BDZV zeigte sich (wie viele andere) jüngst „besorgt über Attacken gegen die Pressefreiheit“.

Bundesverfassungsgericht stärkt Öffentlich-rechtliche

12. September 2007 um 22:19 | Veröffentlicht in Öffentlich-rechtliche, Kapitel_4, Kommunikationsfreiheit | Kommentare deaktiviert für Bundesverfassungsgericht stärkt Öffentlich-rechtliche

Das Bundesverfassungsgericht hat in einem erneuten Rundfunkurteil zur Festsetzung der Rundfunkgebühren die öffentlich-rechtlichen Sender gestärkt (Zusammenfassung als Pressemitteilung). In der Entscheidung am 11. September stellten die Richter fest, dass die Ministerpräsidenten der Länder einen Verfassungsbruch begangen haben, als sie im Jahr 2005 die Rundfunkgebühren festlegten. Sie waren um 28 Cent unter dem Vorschlag der unabhängigen Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) geblieben. Mit dem Urteil dürfte auch die Position gestärkt sein, dass die Öffentlich-rechtlichen ihre digitalen Angebote weiter ausbauen: Internet, digitales Fernsehen, digitales Radio, mobile Kommunikation.

Das Urteil passt in die Rechtsprechung der Verfassungsrichter seit mehr als 20 Jahren: Für eine freiheitlich-pluralistische Berichterstattung sind öffentlich-rechtliche Angebote unverzichtbar. Journalismus in Fernsehen, Radio und Internet darf nicht alleine dem Kommerz ausgeliefert sein.

Pressefreiheit weltweit stagniert

12. September 2007 um 22:04 | Veröffentlicht in Kapitel_2, Kommunikationsfreiheit | 3 Kommentare

Die New Yorker Stiftung Freedom House recherchiert jedes Jahr eine Studie zur Pressefreiheit in allen Kontinenten und Ländern. Die Studie 2007 bestätigte die Ergebnisse von 2006: Nach wie vor leben 43 Prozent der Weltbevölkerung in Ländern ohne Pressefreiheit, 39 Prozent haben teilweise freie Medien und nur 18 Prozent leben ohne signifikante Restriktionen. Während die Situation in westlichen Ländern – auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz – stagniert, sind Rückschläge in Asien, Lateinamerika und in der Ex-Sowjet-Region festzustellen.

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